For Example/Workshop Freie Musik - 1969-1978

Nele Hertling (1978)

In diesem Jahr feiert die Akademie der Künste ihre 10jährige Zusammenarbeit mit der FMP. Mit „3 Nights of Living Music and Minimal Art“ 1969 in der Akademie der Künste begann eine Serie von Workshops freier Musik, die seither in jedem Jahr, meistens von Gründonnerstag bis Ostermontag, in den Ausstellungshallen der Akademie stattfinden und ständig mehr Besucher aus Berlin, der Bundesrepublik und anderen Ländern Europas anlocken.

Wenn man an die Anfänge dieses kleinen Festivals vor zehn Jahren zurückdenkt, kann man sich nur wundern, wie aus den so mühseligen und von Gefährdungen verschiedenster Art bedrohten Anfängen ein so kontinuierlich gewachsenes und fast schon „etabliertes“ Ereignis werden konnte.

Im Jahr 1968 waren wir in der Akademie der Künste dabei, ein großes Projekt vorzubereiten unter dem Titel „Junge Generation Großbritannien“. Es ging darum, die ungewöhnliche kulturelle Entwicklung der letzten Jahre in England in allen ihren Möglichkeiten und Facetten darzustellen. Zur Eröffnung der zum Projekt gehörenden Ausstellung wollten wir gern etwas für die Londoner Szene Typisches vorstellen und waren darauf gekommen, ein Ensemble, das zur modernen Jazzszene in England gehörte, einzuladen. Bei den Vorbereitungsarbeiten für das Projekt lernte ich durch Zufall in London einige Musiker des Spontaneous Music Ensemble, vor allem den Leiter und Schlagzeuger John Stevens, und den Bassisten Dave Holland kennen. Bei einem Gespräch auf der Straße verabredeten wir ein Gastspiel für diese Gruppe, die dann auch wirklich am Eröffnungssonntag der Ausstellung auf der Bühne und in der Ausstellungshalle der Akademie spielte.

Im Tagesspiegel hieß es damals „Nun ist Free Jazz nicht jedermanns Geschmack, deshalb war das Häuflein der Bewunderer im Auditorium der Akademie nicht sehr groß“.

Wir jedoch waren mit dieser Form der Ausstellungseröffnung sehr glücklich und versuchten in der folgenden Zeit, auch in Berlin Kontakt zu Jazzmusikern zu finden, um weitere Auftritte in der Akademie zu ermöglichen.

Über Donata Höffer, die zur gleichen Zeit auf der Akademiebühne in einer Inszenierung von Willi Schmidt probte, lernten wir Jost Gebers, damals noch Bassist, kennen. Gemeinsam planten wir eine Veranstaltung mit dem Titel „Three Days of Music Festival“, später umbenannt in „3 Nights of Living…“, da wir die Musiker innerhalb der Ausstellung „Minimal Art“ spielen lassen wollten.

Diese Veranstaltung hätte aber auch schon fast das Ende der weiteren Planungen bedeutet. Denn während der Auftritte der Gruppen inmitten der ausgestellten Kunstwerke ergab sich – erklärbar vielleicht aus der spannungsgeladenen Atmosphäre jener Tage – eine höchst unerfreuliche Situation, als die Zuhörer anfingen – zunächst ganz unsystematisch und fast unabsichtlich – die Kunstwerke als Sitzgelegenheiten zu benutzen, darüber zu laufen oder sie auch als schlagzeugähnliche Geräte zu schlagen und zu klopfen. Als wir versuchten, dem Einhalt zu gebieten, kam es zu heftigen Auseinandersetzungen, und ich erinnere mich an handfeste Prügeleien. Der Versicherungsschaden an den Kunstwerken war so immens, dass es uns viele Jahre danach nicht mehr möglich war, Veranstaltungen innerhalb von Ausstellungen durchzuführen.

Der „Abend“ schrieb: „Unbekümmert pflückte man auf einem Innenhof Schilfgräser und schritt in einer Pause zu einem Lärmhappening, dies bestand überwiegend darin, im Rhythmus der alten Landsknechtstrommeln mit Fäusten und Füssen auf die Ausstellungsstücke aus Blech einzuhämmern. Minimal music.“

Wir erholten uns zum Glück ziemlich schnell von dem Schrecken und nach einem Jahr gab es den ersten Osterworkshop vom 25.3. bis 30.3.70, der die Tradition für viele Jahre begründete und damit ganz sicher dazu beigetragen hat, für die „Freie Musik“ ein Publikum zu finden, das alle Entwicklungen mit Spaß und Interesse verfolgt.

Neben dem Workshop selber haben wir auch andere Veranstaltungsformen gemeinsam mit der FMP erprobt, so die Begegnung von Musikern und Kindern in den Hallen der Akademie oder auch in Berliner Schulen, und im Frühjahr 1977 im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Berlin Now“ in New York schickten wir die Duos Brötzmann/Bennink und Schlippenbach/Johansson zu einigen Galeriekonzerten nach New York. In diesem Jahr ist es nun auch zum ersten Mal gelungen, in das Berliner Künstlerprogramm des DAAD einen Free Jazz Musiker aufzunehmen. So wird John Tchicai für einige Monate in Berlin leben und arbeiten können und damit auch Berliner Musikern weitere Erfahrungen vermitteln.

Wir hoffen auf weitere Zusammenarbeit, auch nach diesem bemerkenswerten zehnten Geburtstag.

zurück